Schadet die Nutzung von Solarenergie Landwirten und Gemeinden im ländlichen Raum?
Wissenschaftliche Belege zeigen...
Die Nutzung von Solarenergie würde im Vergleich zu den derzeit landwirtschaftlich genutzten Flächen nur einen relativ geringen Prozentsatz der US-Landfläche in Anspruch nehmen.
Die Nutzung von Solarenergie wird Landwirten und ländlichen Gemeinden schaden
"Stellen Sie sich die Frage, wer Ihre Lebensmittel anbauen wird, wenn mehrere Tausend Acres an Agrarflächen für den Bau von Solaranlagen genutzt werden. Bill Gates? Mark Zuckerberg?" (No solar in Logan county)
Selbst wenn man von einem ambitionierten Ausbau der Solarenergie ausgeht, würde sie im Vergleich zu den derzeit landwirtschaftlich genutzten Flächen nur einen relativ geringen Prozentsatz der US-Landfläche in Anspruch nehmen. Einer Schätzung des US-Energieministeriums zufolge würde der gesamte Ausbau der Solarenergie maximal eine Fläche von rund 10,3 Millionen Acre (ca. 4,2 Mio. Hektar) benötigen, wenn bis 2050 die kumulierte Solarnutzung 1.050 bis 1.570 GW erreicht. Dies war das Szenario mit der größten Landnutzung, das vom Ministerium in der Solar Futures Study 2021 bewertet wurde1. Würden alle Solarparks in ihrer Gesamtfläche auf Agrarflächen gebaut, würden sie nur 1,15 % der rund 895.300.000 Acre amerikanischer Agrarflächen (Stand 2021) in Anspruch nehmen2. Allerdings werden sich viele dieser Projekte nicht auf Agrarflächen befinden.
Außerdem können Solaranlagen so gestaltet werden, dass die Agrarproduktion vor Ort weiterhin möglich ist oder sogar gesteigert wird. Das wird als Agri-Photovoltaik bezeichnet und bietet für Landwirte und ländliche Gemeinden, besonders in heißen oder trockenen Klimazonen, zahlreiche Vorteile3. Durch Agri-Photovoltaik können Landwirte unter oder zwischen den Solarmodul-Reihen Nutzpflanzen anbauen oder sogar Nutztiere wie Schafe grasen lassen4 (siehe dazu auch Adeh et al. 2019). Solarmodule, die über Nutzpflanzen und sonstiger Vegetation angebracht sind, können tagsüber nützlichen Schatten spenden (Williams et al. 2023). In mehreren Studien wurde gezeigt, dass solche Rahmenbedingungen die Produktivität und Effizienz eines landwirtschaftlichen Betriebs steigern können (Aroca-Delgardo et al. 2018). Eine Studie ergab beispielsweise, dass die Ernteerträge von Salat unter Photovoltaik relativ hoch bleiben. Das hängt mit der Fähigkeit der Blätter zusammen, sich an das Lichtangebot anzupassen (Marrou et al. 2013). Außerdem wird durch den zusätzlichen Schatten der Solarmodule die Verdunstung und damit der Wasserverbrauch der Nutzpflanzen je nach Beschattungslevel um 14 bis 29 % reduziert (Dinesh & Pearce 2016). Gleichzeitig kann die durch Solaranlagen reduzierte Verdunstung für eine verringerte Bodenerosion sorgen. Solarparks können zudem geschützte Lebensräume für gefährdete Bestäuberarten schaffen, wodurch die Nutzpflanzenerträge zusätzlich gesteigert werden, während gleichzeitig heimische Wildarten unterstützt werden5. Insgesamt können durch Agri-Photovoltaik der wirtschaftliche Wert eines landwirtschaftlichen Betriebs um mehr als 30 % und das Jahreseinkommen um rund 8 % gesteigert werden. Landwirte in andern Ländern haben bereits mit der Nutzung von Agri-Photovoltaik-Systemen begonnen (Tajima & Iida 2021). Beispielsweise gibt es in Japan 1.992 Agri-Photovoltaik-Parks (Stand März 2019), wo über 120 verschiedene Nutzpflanzen wachsen, während gleichzeitig zwischen 500.000 und 600.000 MWh Energie erzeugt werden6.
Zusätzlich wird das Argument, der Ausbau der Solarenergie gefährde die Lebensmittelversorgung, durch die Tatsache entkräftet, dass aktuell mehrere zehn Millionen Acre Agrarfläche für den Anbau von Nutzpflanzen für andere Zwecke, wie die Produktion von Maisethanol, genutzt werden. Aktuell wird Mais in den Vereinigten Staaten auf rund 90 Millionen Acre angebaut. Davon werden fast 45 % für die Ethanolproduktion verwendet7. Durch Solarenergie könnte dieselbe Fläche sehr viel effizienter genutzt werden. Berechnungen haben ergeben, dass der Flächenbedarf bei gleicher Fahrleistung für mit Maisethanol angetriebene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren 63- bis 197-mal höher ist als für mit Solarstrom aus Photovoltaik angetriebene Elektrofahrzeuge8. Selbst wenn aus dem Ethanol Strom für den Antrieb eines Elektrofahrzeugs erzeugt würde, wäre der Flächenbedarf von Ethanol immer noch rund 32-mal höher. Auch wenn man andere Energienebenprodukte der Ethanolproduktion bei der Berechnung berücksichtigen würde, würde Photovoltaik pro Acre immer noch 14- bis 17-mal mehr Bruttoenergie erzeugen als Mais. Die folgende Abbildung vergleicht den Flächenbedarf von Photovoltaik, zweckbestimmter Biomasse und anderen Energiequellen. Der Flächenbedarf von zweckbestimmter Biomasse beläuft sich auf durchschnittlich 160.000 Hektar pro Terawattstunde pro Jahr; der von Photovoltaik-Freiflächenanlagen lediglich auf durchschnittlich 2.100 Hektar (Lovering et al. 2022).
Abbildung 4: Durchschnittlicher Flächenenergieertrag, gemessen in Hektar pro Terawattstunde pro Jahr Quelle: U.S. Global Change Research Programm (Visualisierung der Daten entnommen aus Jessica Lovering et al. 2022).
Abschließend muss noch festgehalten werden: Der Ausbau von Solarenergie wird zwar, wie alle Infrastrukturprojekte, zwangsläufig negative Auswirkungen haben. Verzichtet man aber darauf, die notwendige Infrastruktur aufzubauen, um dem Klimawandel zu begegnen, gefährdet man die Agrarproduktion noch viel mehr. Durch extreme Wetterereignisse, wechselhaftes Wetter und Wasserknappheit schadet der Klimawandel bereits der landesweiten sowie der globalen Lebensmittelproduktion9. Laut Prognosen des neuesten Berichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) könnten durch den Klimawandel bis zum Jahr 2050 bis zu 80 Millionen weitere Menschen von Hunger bedroht sein10. In einem Bericht von 2019 prognostiziert der IPCC bis 2050 durch den Klimawandel verursachte Preissteigerungen von bis zu 29 % für Getreidekorn11. Diese Preissteigerungen würden weltweit eine Belastung für Konsumenten darstellen und gleichzeitig regional zu Ungleichgewichten führen. Außerdem würde eine höhere Kohlendioxidkonzentration zwar den Ertrag bestimmter Nutzpflanzen bei einem geringen Temperaturanstieg zunächst erhöhen, aber diese Pflanzen hätten wahrscheinlich eine geringere Nährstoffqualität. Weizen, der bei einer CO2-Konzentration von 546 bis 586 Teilchen pro Millionen (ppm) gewachsen ist, weist beispielsweise eine um 5,9 bis 12,7 % geringere Eiweißkonzentration, eine um 3,7 bis 6,5 % geringe Zinkkonzentration und eine 5,2 bis 7,5 % geringere Eisenkonzentration auf. Die Verbreitung von Schädlingen und Krankheiten würde sich ebenfalls verändern und so der Agrarproduktion in vielen Regionen schaden. Solange wir weiterhin fossile Brennstoffe verbrennen, werden sich diese Auswirkungen weiter verstärken12.
Fußnoten:
[1] U.S. Dep’t. Energy Solar Energy Technologies Office, Solar Futures Study, U.S. Dep’t. Energy Office of Energy Efficiency & Renewable Energy, at vi, 179 (Sep. 2021)
[2] U.S. Dep’t. of Agriculture, Farms and Land in Farms: 2021 Summary, 4 (Feb. 2022)
[3] Eric Larson et al., Net-Zero American: Potential Pathways, Infrastructure, and Impacts: Final Report, Princeton University, 247 (Oct. 29, 2021)
[4] Michael Nuckols, Considerations when leasing agricultural lands to solar developers, Cornell Small Farms (Apr. 6, 2020)
[5] Empowering Biodiversity on Solar Farms, University of Georgia College of Agricultural and Environmental Sciences, 2020
[6] Das ist ausreichend Energie, um ungefähr 50.000 amerikanische Haushalte mit Strom zu versorgen. U.S. Energy Information Admin., Use of energy explained: Energy use in homes (last visited March 25, 2024)
[7] Feed Grains Sector at a Glance, U.S. Dep’t of Agriculture (last updated Dec. 21, 2023)
[8] Paul Mathewson & Nicholas Bosch, Corn Ethanol vs. Solar: Land Use Comparison at 1 (Clean Wisconsin 2023)
[9] Alisher Mirzabaev et al. (2023), Severe climate change risks to food security and nutrition, 39 Climate Risk Management 100473, 3, ("Adverse consequences are already occurring, and the chances of their exacerbation under climate change are high"); Food and Agriculture Organization of the United Nations, Climate Change and Food Security: Risks and Responses at ox-xii (2015); Agriculture and Climate, U.S. Env’t. Prot. Agency, (last visited March 25, 2024); Laura Reiley & Kadir van Lohuizen, Climate change is pushing American farmers to confront what’s next, Wash. Post, Nov. 10, 2023
[10] IPCC AR6 WGII, Climate Change 2022: Impacts, Adaptation, and Vulnerability (2022)
[11] Chiekh Mbow et al., Food Security, in Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gases fluxes in terrestrial ecosystems, Exec. Summary, Intergovernmental Panel on Climate Change (2019).
[12] Causes and Effects of Climate Change, United Nations (last visited March 25, 2024).
Diese Erklärung basiert auf der Veröffentlichung "Rebutting 33 False Claims About Solar, Wind, and Electric Vehicles" vom Sabin Center for Climate Change Law an der Columbia Law School. Die deutsche Übersetzung wurde im Rahmen des MA-Kurses Projektarbeit „Skeptical Science“ unter der Leitung von Simona Füger und Nicole Keller an der Universität Heidelberg von Julia Hellwig, Damianus Pawlak, Isabel Schmitt, Yasmin Speltz, Andrei Sumcov und Ulrike Weber erstellt.
Translation by BaerbelW, . View original English version.
Der Irrglauben...